Rückschau auf den 29. DIGAB-Kongress in Hamburg zusammen mit dem 16. Beatmungssymposium der DGP e.V.

Mit rund 700 Teilnehmenden, darunter so vielen Menschen mit Beatmung wie noch bei keinem Kongress zuvor, war der 29. Jahreskongresses der Deutschen interdisziplinären Gesellschaft für außerklinische Beatmung (DIGAB) e.V. im CCH in Hamburg ein großer Erfolg. Die beiden Kongresspräsidenten, PD Dr. med. habil. Sven Hirschfeld und Dr. med. Benjamin Grolle, hatten gemeinsam mit den DIGAB-Sektionen ein Programm auf einem hohen wissenschaftlichen Niveau und mit einer großen Vielfalt an Themen konzipiert. Die beiden Mediziner haben „dank Corona“ nicht nur mit einer vierjährigen „Amtszeit“ als Kongresspräsidenten einen Rekord aufgestellt, sondern auch in der DIGAB-Geschichte einen neuen unvergesslichen Meilenstein gesetzt. Die Teilnehmenden waren aus ganz Deutschland in das erneuerte CCH inmitten des herrlichen Parks „Planten un Blomen“ gekommen, um Fachvorträge zu hören, an Workshops, Diskussionsrunden und Journal Clubs teilzunehmen, die begleitende Fachausstellung zu besuchen und sich miteinander auszutauschen.

Die Sektion „Selbstbestimmt Leben mit Beatmung“ unter der Leitung von Dinah Radtke und Anika Zinken hatte, in Zusammenarbeit mit Maria-Cristina Hallwachs, ständige Beauftragte der Menschen mit Beatmung, präsentierte folgende aktuelle Themen, für die sie hervorragenden Mitwirkende gewinnen konnten:

  • Podiumsdiskussion: „Ärztlich assistierter Suizid: was heißt hier Selbstbestimmung gerade auch bei schwerbehinderten Menschen?“
  • Podiumsgespräch über das GKV-IPReG und seine Folgen mit Mitgliedern des GKV-IPReG ThinkTank
  • Selbstbestimmt Leben mit persönlicher Assistenz in Zeiten des IPReG (Persönliches Budget, Budgetassistenz Zusammenschluss in Arbeitgebergenossenschaft/Assistenzgenossenschaft)
  • Assistenz im Krankenhaus bei AKI, Erfahrungsberichte von Betroffenen
  • Experten berichten über ihr Leben mit ALS und anderen schweren Erkrankungen
  • Workshop „Froschatmung und Beatmung – wie geht das?“
  • In der Sitzung „Reisen mit Beatmung“ erhielten die Zuhörenden viele praktische Anregungen und Tipps.

Einer der Kongressschwerpunkte war die Versorgung von Kindern und jungen Menschen mit Beatmung und Intensivversorgungsbedarf, der in vielen Sessions behandelt wurde. Dr. Benjamin Grolle, langjähriger Sektionssprecher der Sektion „Kinder und junge Menschen“ gab diesem Thema viel Raum. Eine adäquate Versorgung ist durch den Fachkräftemangel sowohl in pflegerischer als auch fachärztlicher Hinsicht so dramatisch, dass besonders die „Laienpflege“ ein kontrovers diskutiertes Thema war. Der zweite Schwerpunkt war die Querschnittlähmung. Das Thema wurde ebenfalls von unterschiedlichen Seiten beleuchtet; in einem Slot wurde die ärztliche, klinische Begleitung in Querschnittzentren und neurorehabilitativen Zentren vorgestellt und in einer zweiten Session ging es um die Neuroregeneration, sowie exo- bzw. endogene Neuroprothetik bei Querschnittlähmung. Auch Sekretmanagement und alternative Beatmungsformen (Phrenicusnervenstimulator, PNS) waren angeregt diskutierte Themen. Ein sehr realitätsnäher und an der Praxis orientierter Slot war „Querschnittlähmung und Sexualität“. Weitere Sektionen, wie z.B. die Sektion Pflege oder die Sektion Telemedizin gestalteten den Kongress maßgeblich mit. Auch das Beatmungssymposium unter der Schirmherrschaft der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. gab viele Impulse.

Aus zahlreichen abstracts, die eingereicht worden waren, hatte eine Jury zwölf ausgewählt, die im Rahmen eines Wissenschaftsforums und einer Ideenwerkstatt vorgestellt wurden. Folgende Beiträge kamen jeweils unter die ersten drei und wurden ausgezeichnet:

Wissenschaftsforum

  • Erster Preis: Lebensqualität bei Patient:innen mit invasiver und nicht-invasiver Heimbeatmung: Eine Evaluation des Einflusses von ambulanten Versorgungsstrukturen, vorgetragen von Doreen Kroppen (Witten)
  • Zweiter Preis: Mechanische Insufflatoren-Exsufflatoren („Hustenassistenten“) bei der ALS – Ergebnisse einer multizentrischen Beobachtungsstudie, vorgetragen von Dagmar Kettemann (Berlin)
  • Dritter Preis: Welchen Einfluss hat eine nicht-invasive Heimbeatmung auf die Schlafqualität von COPD-Patient:innen?, vorgetragen von Maximilian Wollsching-Strobel (Köln)

Ideenwerkstatt

  • Erster Preis: Moral distress im Team in der Versorgung außerklinischer Beatmungs-WGs, vorgetragen von Maike Lucia Lyall (Berlin)
  • Zweiter Preis: Vermeidung von Hospitalisierung durch frühzeitiges Risikomanagement, vorgetragen von Kevin Greck (Deutsche Fachpflege)
  • Dritter Preis: ChatGPT in der außerklinischen Intensivpflege: Praxisbeispiele und Aufbau von KI-Kompetenzen für Anfänger, vorgetragen von Marcello Ciarrettino (Essen)

Während der Jahrestagung findet immer eine Mitgliederversammlung statt. Bei den anstehenden Wahlen wurde Christoph Jaschke, der zuvor schon als Past-Präsident (komm.) Dr. med. Martin Bachmann im Vorstand vertreten hatte, zum Präsidenten gewählt. Damit stellt erstmals die Berufsgruppe der Pflege einen Präsidenten. Er sieht seine Rolle primär darin, Menschen mit außerklinischem Intensivversorgungsbedarf sowie ihre An- und Zugehörigen zu unterstützen und sie auf ihrem Weg im Rahmen der Umsetzung der neuen Gesetzgebung konstruktiv zu begleiten.

Zum Präsident-elect wurde Dr. med. Martin Groß, Chefarzt Neurologische Intensivmedizin und Frührehabilitation im Evangelischen Krankenhaus Oldenburg gewählt, der bereits langjähriger Sprecher der DIGAB-Sektion „Neurologie und Neurorehabilitation“ ist. Er setzt sich für flächendeckende, tragfähige Versorgungsstrukturen für Menschen mit außerklinischer Beatmung und Intensivpflege ein und möchte auch die wissenschaftlichen Aktivitäten voranbringen, die immer schon erklärtes Ziel der DIGAB e.V. sind. Dr. med. Bernd Schucher ist nun Past-Präsident und Kay-Wilke Schultz weiterhin Schatzmeister. Eine Schlüsselrolle hat Maria-Cristina Hallwachs, die ständige Beauftragte der Menschen mit Beatmung. Geehrt wurde ein neues Ehrenmitglied. Der DIGAB e.V.: Prof. Dr. med. Bernd Schönhofer, einer der Pioniere der „Heimbeatmung“.  Für die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft im kommenden Jahr wurden Dr. med. Martin Bachmann sowie Prof. Dr. med. Gerhard Laier-Groeneveld vorgeschlagen.

Bereits vor 10 Jahre hatte in Hamburg ein DIGAB-Kongress stattgefunden, den Dr. Martin Bachmann und Dr. Bernd Schucher leiteten. Damals trat erstmals die inzwischen legendäre Band ThEvents in der Fischauktionshalle auf. Dieses Konzert war der Auftakt für viele weitere ehrenamtliche Auftritte bei Veranstaltungen und Kongressen, so auch beim Abendevent in der malerischen Speicherstadt im ehemaligen Hauptzollamt.

In ihrer Verabschiedung dankten die beiden Kongresspräsidenten allen Mitwirkenden, der Industrie, die den Kongress möglich gemacht hat, sowie Intercongress. Es wurde eine Schweigeminute für Dr. med. Christoph Aring eingelegt, der sich als Kinderarzt in der DIGAB e.V. über Jahrzehnte engagiert hatte und der kurz vor dem Kongress verstorben war. Abschließend luden die beiden Kongresspräsidenten zum 30. DIGAB-Kongress, zusammen mit dem 17. Beatmungssymposium unter der Schirmherrschaft der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. am 6. und 7. Juni 2024 nach Augsburg ein. Diesen werden Maria-Cristina Hallwachs, die Beauftragte für die Menschen mit Beatmung und Intensivversorgungsbedarf in der DIGAB, sowie Dr. med. Jens Geiseler leiten. Sein Motto lautet: „Außerklinische Beatmung: Ein Thema, viele Blickwinkel!“

Aktuelle Informationen sowie der Link zu den Fotos sind auf der Kongresshomepage im Archiv eingestellt.

Rückschau auf den 29. DIGAB-Kongress in Hamburg zusammen mit dem 16. Beatmungssymposium der DGP e.V.