Therapeutische Fachkräfte benötigen für die Durchführung der medizinisch dringlichen und prognostisch relevanten Behandlungen die notwendige Schutzausrüstung

Stellungnahme der DIGAB-Sektionen „Außerklinische therapeutische Versorgung“ und „Dysphagie“ zum Erlass des Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege Vollzug des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie. Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 20.03.2020, Az. Z6a-G8000-2020/122-98“

Die Corona-Pandemie stellt das Gesundheitssystem vor enorme Herausforderungen. Die größte Herausforderung besteht unbestritten darin, die exponentielle Kurve der Neuansteckungen abzuflachen und die Zahl der Neuinfektionen über einen größeren Zeitraum zu strecken, um die Kapazitäten der Kliniken und insbesondere der Intensivversorgung nicht zu überfordern.

Eine weitere Herausforderung besteht aber auch darin, die z.T. überlebenswichtigen Leistungen des Gesundheitssystems für schwer- und schwerstkranke Patienten ohne Corona-Infektion trotz des Ausbruchs von SARS-COV-2 aufrechtzuerhalten. Die zentrale Frage in diesem Kontext lautet, wie pflegerische, therapeutische und medizinische Leistungen in der ambulanten und der stationären Versorgung für nicht-infizierte Patienten mit z.T. schweren und schwersten Erkrankungen aufrechterhalten werden können, ohne sie durch eine Corona-Infektion zusätzlich zu gefährden. Es geht um Patienten mit außerklinischem Intensivpflegebedarf, z.B. in der häuslichen Versorgung, in Pflege-WGs oder in Einrichtungen der Rehaphase F.

Vor diesem Hintergrund müssen Infektionsschutzmaßnahmen wie beispielsweise die Schließung von ergotherapeutischen und logopädischen Praxen in Bayern, aber auch Zugangsbeschränkungen für Therapeuten zu den Pflegeeinrichtungen sehr differenziert betrachtet werden:

  • Auf der einen Seite gehören Patienten mit Intensivpflegebedarf, d.h. beatmete und/oder tracheotomierte Menschen zu der am meisten gefährdeten Risikogruppe. Der Infektionsschutz dieser Menschen steht deshalb an oberster Stelle.
  • Auf der anderen Seite brauchen gerade diese Patienten auch in der aktuellen Corona-Pandemie neben ärztlichen und pflegerischen Maßnahmen auch eine medizinisch angemessene therapeutische Versorgung. Vorhandene Rehabilitationspotentiale können nur in bestimmten biologisch vorgegebenen zeitlichen Grenzen ausgeschöpft werden. Bei fehlender therapeutischer Versorgung werden diesen Patienten nicht nur Rehabilitations- und Entwicklungsmöglichkeiten vorenthalten, darüber hinaus können auch Verschlechterungen eintreten. Die erforderliche therapeutische Versorgung kann bei diesen Patienten nicht durch Videobehandlung oder Teletherapie ersetzt werden.
  • Eine gesundheitliche Verschlechterung dieser Patienten hätte in den meisten Fällen eine Krankenhauseinweisung und in einigen Fällen auch eine Intensivpflichtigkeit zur Folge. Das würde die sehr angespannte Lage in den Kliniken zusätzlich verschärfen.

Um beiden Seiten des Problems gerecht zu werden, kommt der Infektionsschutzkleidung und den Desinfektionsmaßnahmen eine zentrale Rolle zu.

Therapeutisches Personal ohne die erforderliche persönliche Schutzausrüstung (Schutzkittel, Mund-Nasen-Schutz und Einmalhandschuhe sowie ausreichend Desinfektionsmittel für Hände, Material und Kontaktflächen) sollte keine Therapie mit solchen Patienten durchführen, die aufgrund ihrer Vorerkrankung(en) das Risiko eines schweren Verlaufs im Falle einer Corona-Infektion haben. In diesem Sinne sollte den therapeutischen Fachkräften für die Durchführung der medizinisch dringlichen und prognostisch relevanten Behandlungen die notwendige Schutzausrüstung zur Verfügung gestellt werden.

Nur therapeutisches Personal, das über die erforderliche persönliche Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel verfügt, sollte die für die Patienten notwendige Therapie durchführen.

 

Nachrichtlich am 27. März 2020 an:

Jens Spahn, Bundesminister für Gesundheit
Dr. Markus Söder, Ministerpräsident des Freistaats Bayern
Melanie Huml, MdL, Bayerische Staatsministerin für Gesundheit und Pflege

Für die DIGAB-Sektionen:

Nicolin Bähre, Sprecherin der DIGAB-Sektion „Dysphagie“
Janine Ehlers, Sprecherin der DIGAB-Sektion „Außerklinische therapeutische Versorgung“

Für den geschäftsführenden Vorstand:

Dr. med. Martin Bachmann, Präsident
Dr. med. Bernd Schucher, Präsident-elect
Dipl. Soz. Arb. Meike Grimm, Schatzmeister
Jörg Brambring, Past-Präsident komm.

Stellungnahme zum Download hier.

Therapeutische Fachkräfte benötigen für die Durchführung der medizinisch dringlichen und prognostisch relevanten Behandlungen die notwendige Schutzausrüstung